021120_#WiRdigital_Christandl
@ KWR
#WiRdigital: Alternative Lebensmittel – Insekten als Leckerbissen
Gewohnheiten und Normen
Am 02.11.2020 fand zum fünften Mal das Format „Wissenschaft im Rathaus“ online statt. Prof. Fabian Christandl von der Hochschule Fresenius machte deutlich, welche Aspekte dazu führen, dass Insekten als Lebensmittel vom Konsumenten angenommen werden.
Lebensmittel, die wir kennen und die bereits aus Tradition zu unserem Ernährungsplan gehören, haben bei dem Konsumenten eine grundsätzliche Akzeptanz. Wenn man demnach Probanden suggeriert, dass sie beispielsweise Kuhmilch statt Hundemilch trinken, bewerten sie diese wohlwollend und positiv. Klärt man sie dann auf, zählen die bereits geäußerten positiven Bewertungen nicht mehr, es überwiegt der Ekel und die Abscheu. Normen und Gewohnheiten spielen demnach bei der Akzeptanz von innovativen Nahrungsprodukten eine wichtige Rolle.
Das gilt in unserem Kulturkreis auch für alternative Lebensmittel aus Insekten. In asiatischen Kreisen ist das anders, da steht der Verzehr von allerlei Getier mit auf dem Speiseplan. Prof. Christandl hat mit den Kolleg*innen Sebastian Berger (Uni Bern) und Christian Bärtsch (Uni St. Gallen) in einer Studie untersucht, welche Argumente, eine positive Wahrnehmung und den Konsum von insektenbasierten Produkten fördern.
Konsumverhalten spielt eine Rolle
Basierend auf der Tatsache des fortschreitenden Klimawandels und den damit verbundenen Herausforderungen gilt es Alternativen zu entwickeln, die auf der Produktionsseite beispielsweise mit Energieeffizienz und sauberen Technologien die Anteile an CO2-Emmissionen stark reduziert. Gerade durch die Viehzucht wird ein hoher Anteil an CO2 ausgestoßen. Dem könnte man mit einem verändertem Konsumverhalten sowie alternativen Lebensmittel begegnen.
So schlagen Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen Insekten als alternative Nahrungs- und Prodeinquelle vor. Denn beispielsweise die Produktion von Mehlwürmern verursacht nur einen Bruchteil der CO2-Emmissionen, die eine äquivalente Viehzucht hervorbringen würde. Doch warum wird in unserem Kulturkreis, trotz der großen Vorteile, nicht verstärkt auf Insekten als Nahrungsquelle gesetzt? Ganz einfach: Ekel und weitere negative Emotionen beim Kontakt mit Insekten führen dazu, dass westliche Konsumenten den Verzehr von Insekten ablehnen.
Daher stellt sich die Frage, mit welchen verhaltenswissenschaftlich inspirierten Maßnahmen diese Widerstände abgebaut werden können. Um das herauszufinden hat die Studie drei Fragestellungen untersucht:
- Lassen sich Konsumenten eher von vernunftbezogenen Argumenten (z. B. gut für die Gesundheit; gut für die Umwelt) oder hedonistischen Argumenten (z. B. exquisit; trendy) zum Essen von Insekten bewegen?
- Lassen sich Konsumenten eher durch einen vergleichsweise hohen oder niedrigen Kaufpreis zum Essen von Insekten bewegen?
- Inwieweit beeinflussen die Bewertung anderer Konsumenten und Experteneinschätzungen das Konsumverhalten?
Zu der ersten Fragestellung wurde den Probanden jeweils ein Werbeflyer vorgelegt, der die vernunftbezogenen bzw. hedonistischen Argumente vermittelte. Anschließend konnten die Testpersonen freiwillig eine Praline aus Mehlwürmern probieren. In einem weiteren Versuch sollten die Probanden über den Preis einen Mehlwurmburger qualitativ bewerten und ihre Zahlungsbereitschaft nach der Verköstigung angeben. Anschließend wurde auch diesen Testpersonen eine Praline aus Mehlwürmern zum Probieren angeboten. Im dritten Versuch wurde den Probanden die Beurteilungen anderer Konsumenten und Experteneinschätzungen vor dem Verzehr vorgelegt (positiv/negativ/neutral). Sie sollten dann ihre eigene Einschätzung vor und nach dem Verzehr des Insektenprodukts abgeben.
Trendy, teuer und von anderen geschätzt
Versprach die Werbebotschaft ein exquisites und trendyges Produkt, so wurde die Mehlwürmer-Praline deutlich häufiger von den Testpersonen verzehrt. Bei einem vermeintlich hohen Preis (14,99 € satt 2,99 €) fiel das Urteil der Testpersonen deutlich positiver aus und die erwartete Qualität zeigte sich auch in der erhöhten Bereitschaft, einen hohen Preis für das Produkt zu bezahlen. Zudem führte dieser Effekt auch dazu, dass weitere Produkte (Praline) probiert wurden. Die Testpersonen folgten außerdem den Beurteilungen anderer Konsumenten und der vermeintlichen Experteneinschätzung.
Demnach lassen sich Konsumenten eher von hedonistisch geprägten Argumenten beeinflussen. Exklusivität erscheint als vielversprechende Strategie, um Widerstände gegenüber dem Konsum von Insekten abzubauen. Soziale Einflusstechniken dürfen dann ihren Beitrag im Rahmen eines Trickle-Down-Effekts leisten.