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Verbale Gewalt

Kinder leiden still mit

Professorin Heike Wiemert ist Dekanin des Fachbereichs Sozialwesen an der Katholischen Hochschule NRW (KatHO) in Köln und lehrt Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Kindheit, Jugend und Familie. Im Kölner Stadt-Anzeiger (KSTA) spricht sie über psychische Gewalt an Kindern und den Folgen.

Frau Wiemert, ein Kind kann seine Hausaufgaben nicht lösen. Die Mutter sagt: „Du bist zu doof dafür.“ Ist das schon Gewalt?
Ja, in meinen Augen ist so eine Aussage eindeutig psychische Gewalt. Warum muss man so etwas Herabwürdigendes zu einem Kind sagen? Es ist absichtlich verletzend und motiviert nicht zum Lernerfolg. Wenn ich sagen möchte „Du kannst eigentlich mehr“, dann kann ich das besser positiv ausdrücken.

Gewalt beginnt also schon bei Worten?
Ja, Gewalt ist jegliche psychische – und natürlich physische – Handlung, mit der man Kindern oder Jugendlichen einen Schaden zufügt oder sie dem eigenen Willen unterwirft.

Im stressigen Familienalltag kann Eltern eine Bemerkung rausrutschen, die nicht in Ordnung ist. Wie können sie das Gesagte zurücknehmen?
Ich muss mich als Mutter oder Vater aufrichtig bei meinem Kind entschuldigen und erklären, wie es zu einer Entgleisung kommen konnte. Wenn das Kind sich geborgen, verstanden und ernst genommen fühlt, kann es eine Entschuldigung sicher annehmen. Schwierig ist es, wenn das Kind viele negative Erfahrungen dieser Art macht. Dann verstärkt eine Aussage wie „Du bist zu doof“ den Eindruck: „Ich kann nichts.“ Für diese Kinder ist das sehr schwer und da bleibt etwas zurück, das die weitere Entwicklung beeinflusst.

Wie wird die Entwicklung beeinflusst?
Psychische Gewalt kann zu Traumatisierungen mit Folgen bis ins Erwachsenenalter führen. Manche ziehen sich völlig zurück oder bekommen Depressionen, andere verarbeiten die Erfahrungen, indem sie später selbst aggressiv auftreten. Es gibt Menschen, die nach Erniedrigungen in der Kindheit keinen eigenen Antrieb und kein Selbstbewusstsein entwickeln. Kinder und Jugendliche erleben Gewalt als besonders bedrohlich und existenziell, da sie in ihrer Entwicklung auf Schutz und Geborgenheit angewiesen sind. Umso gravierender sind die Folgen, wenn die Gewalt von nahe stehenden Personen ausgeht.

Wie lässt sich dem entgegenwirken?
Wir müssen anerkennen, wie ausdifferenziert die Lebensrealitäten von Kindern sind. Damit will ich nicht sagen, dass es den Mittel- und Oberschichtskindern immer gut geht. Aber es bringt eben besondere Härten mit, in Familien aufzuwachsen, in denen es schon aufgrund der Lebensumstände ein erhöhtes Aggressions- und letztlich Gewaltpotenzial gibt. Das können eine prekäre ökonomische Situation oder psychische Krankheiten oder Süchte bei den Eltern sein. Das sind indirekte Gewalterfahrungen, weil die Bedürfnisse des Kindes im Alltag keine Rolle spielen. Dem können wir nur mit sensibilisierten Fachkräften in Schulen und Kitas begegnen, die die Kinder bestmöglich unterstützen. […]

Vollständige Quelle: KSTA