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© Christoph Wanko
Spinale Muskelatrophie
Veröffentlichung in The American Journal of Human Genetics
Der Forschungsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Brunhilde Wirth, Direktorin des Instituts für Humangenetik an der Uniklinik Köln sowie Wissenschaftlerin am Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK), ist es gelungen, erstmals zu zeigen, dass eine kombinierte Therapie von Nusinersen (SMN-ASOs) und Neurocalcin Delta (NCALD)-ASOs, einen verbesserten Schutz gegen die spinale Muskelatrophie (SMA) im Vergleich zu Nusinersen alleine zeigt. Die Forscher haben ihre Ergebnisse am 20.06.2019 im renommierten Wissenschaftsmagazin The American Journal of Human Genetics veröffentlicht.
SMA ist eine häufig auftretende, autosomal-rezessive neuromuskuläre Erkrankung beim Menschen und die häufigste genetische Ursache des Säuglingstodes. In der europäischen Bevölkerung ist etwa jeder 35. Mensch ein Träger von SMA und etwa 30.000 SMA-Betroffene leben derzeit in Europa und den USA. Charakteristisch für SMA ist der fortschreitende Verlust von Nervenzellen, welche die Muskeln mit Reizen versorgen. Infolge dessen leiden SMA-Patienten an Muskelschwäche und -schwund. Die schwerste Form der Erkrankung – hiervon sind 60 Prozent der Patienten betroffen – verursacht einen sehr frühen Tod.
SMA wird durch den Verlust des SMN1 Gens verursacht. Alle Menschen mit SMA tragen jedoch ein bis sechs SMN2 Kopie-Gene, die den Schweregrad der SMA beeinflussen: von Typ I (schwere Form) bis Typ IV (adulte Form). Im SMN2, nicht aber im SMN1 Gen, wird eine wichtige regulatorische Sequenz durch einen einzigen Basenaustausch zerstört, was das korrekte Spleißen (Herausschneiden der unwichtigen Teile aus der unreifen RNA und Einfügen der wichtigen Teile in die reife RNA) verhindert. Infolgedessen entsteht nur circa zehn Prozent korrekte RNA und Protein. Diese grundlegende Erkenntnis hat die Gruppe von Prof. Wirth vor vielen Jahren erstmals gewonnen. Darauf basierend, ist der erste zugelassene Wirkstoff für die SMA-Therapie von IONIS Pharmaceuticals und Biogen entwickelt und klinisch getestet worden: es handelt sich hier um ein SMN-Antisensoligonukleotid (ASO), das den Namen Nusinersen (Spinraza) trägt. ASOs sind kurze RNA Stücke, die durch Peptide stabilisiert werden. ASOs werden therapeutisch eingesetzt, um ungünstige Gen-Bereiche auszuschalten, gestörte Genprozesse zu korrigieren oder um Genprodukte zu reduzieren. Auf diese Weise kann je nach Bedarf entweder mehr, weniger oder ein verändertes Protein von einem bestimmten Gen erzeugt werden.
Die Gruppe um Prof. Wirth hat weiterhin auch SMA schützende Gene gefunden: Plastin 3, Neurocalcin Delta (NCALD) und Calcineurin EF-Hand Protein 1 (CHP1). Diese wurden in Personen gefunden, die gesund blieben, obwohl sie die genetische Veranlagung zur SMA haben. Nun will Prof. Wirth diesen Schutz bei allen Menschen, die veranlagt sind, eine SMA zu entwickeln, therapeutisch einsetzen.
In der jetzigen Studie ist es den Postdoktorandinnen Laura Torres-Benito und Svenja Schneider gelungen, eine kombinierte ASO-Therapie gegen SMA zu entwickeln. Einerseits wurde das SMN2 Gen durch Nusinersen so beeinflusst, dass mehr korrekte RNA und Protein erzeugt wird und andererseits, das vor SMA-schützende Gen NCALD herunterreguliert, damit weniger Protein entsteht. Die NCALD-ASOs wurden von IONIS Pharmaceuticals speziell für diese Studie entwickelt. {…}
Vollständige Quelle: Uniklinik Köln