KWR Kölner Wissenschaft

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Öffentliche Finanzen: Was hemmt lokale Investitionen?

Rückblick: Wissenschaft im Rathaus (WiR)

Zu Beginn begrüßte Bürgermeister Andreas Wolter die rund fünfundzwanzig Gäste im Atrium des Kölner Rathauses und hob die Bedeutung von verantwortungsvollen Investitionen auf lokaler Ebene hervor. Die Corona-Krise habe in vielen Bereichen aufgezeigt, wo Nachholbedarf bestehe.

In seinem Vortrag präsentierte Björn Bremer eine aufwendige Studie, die er gemeinsam mit Leon Wansleben und Donato Di Carlo (beide MPIfG) zum Investitionsstau in Deutschland durchgeführt hat. Zu Beginn stellte Bremer heraus, dass Deutschland generell ein sehr reiches Land ist, das seit vielen Jahre über hohe Steuereinkünfte verfügt. Gleichzeitig ist der Investitionsstau in erster Linie ein lokales Phänomen, mit großen regionalen Unterschieden. Warum wird in einigen Kommunen so wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert? Und warum schaffen es einige Kreise, Rückstände aufzuholen und andere nicht? Die drei Wissenschaftler stellten für ihre Analyse einen einzigartigen Datensatz zusammen, zu dem alle dreizehn Landesstatistikämter beitrugen. So gelang ihnen eine detaillierte Bestandsaufnahme der Entwicklungen der letzten fünfundzwanzig Jahre. Darin wurde deutlich, dass es besonders Regionen in Nord- und Mitteldeutschland sind, in denen in den vergangenen Jahren wenig investiert wurde, während Regionen im Süden und Südosten Deutschlands vergleichsweise hohe Ausgaben hatten. Wie kommen diese regionalen Unterschiede zustande? Neben hohen Gewerbesteuereinnahmen und einer niedrigen Schuldenlast spielt vor allem die personelle Ausstattung in öffentlichen Verwaltungen auf Kreisebene eine entscheidende Rolle. Denn um größere Strukturprojekte zu betreuen, werden dringend technische Fachkräfte benötigt. So konnten etwa in der Stadt Köln im Jahr 2018 von 522 Millionen Euro an bewilligten Geldern nur 288 Millionen auch tatsächlich ausgegeben werden, weil das technische Verwaltungspersonal im Vergleich zu Mitte der Neunzigerjahre auf die Hälfte reduziert wurde. Eine Lücke, die nur schwer wieder zu füllen ist, da vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels Städte und Kommunen als Arbeitgeber zunehmend in Konkurrenz zur freien Wirtschaft stehen.

Bremer thematisierte außerdem, inwiefern die Parteizugehörigkeit des lokalen Führungspersonals eine Rolle bei der Investitionstätigkeit spielt. Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU sind tendenziell investitionsfreudiger als ihre sozialdemokratischen Amtskolleginnen und Amtskollegen, das gilt insbesondere, wenn die kommunale Haushaltslage angespannt ist. Da linke Parteien Ausgaben für soziale und kulturelle Projekte ungern reduzieren, werden in diesen Zeiten verstärkt Abstriche bei öffentlichen Investitionen gemacht. Sobald die Einnahmen wieder steigen, investieren Politikerinnen und Politiker linker Couleur allerdings sogar schneller.

Nach dem Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion zu einer Vielzahl an Themen. Vor allem wurden Forderungen unter den Gästen danach laut, die Entscheidungswege auf lokalpolitischer Ebene effizienter und transparenter zu gestalten, die Attraktivität kommunaler Arbeitgeber durch bessere Bezahlung und flache Hierarchien zu erhöhen und mehr Bürgerbeteiligung zu fördern.“

Zum Weiterlesen
Die Studie ist als Open-Access-Veröffentlichung in englischer Sprache verfügbar: Björn Bremer, Donato Di Carlo, Leon Wansleben: The Constrained Politics of Local Public Investment Under Cooperative Federalism, Socio-Economic Review, 2022. Auch die Wirtschaftswoche widmete sich der Studie im Artikel „Wo sich der Investitionsstau seit der Wiedervereinigung am meisten verschärft hat“ (Autor: Jannik Deters | Wiwo, 18. September 2021).