KWR - Kölner Wissenschaftsrunde

191222_pixabay_PublicDomainPictures_DSHS_Herzmuskel

© pixabay | PublicDomainPictures

Muskelkraft als Medizin

Therapie für Herzpatient*innen

In Deutschland werden jährlich 1,7 Millionen Menschen wegen einer Erkrankung des Herzens in der Klinik behandelt. Diese Zahl gibt die Deutsche Herzstiftung an. Die Betroffenen werden zudem immer älter und die Anzahl der Herzoperationen bei über 70-Jährigen nimmt zu. Wer regelmäßig körperlich aktiv ist und sich mit Ausdauer- und Krafttraining belastet, lebt auch mit einer Herzerkrankung länger. Eine gut ausgebildete Muskelmasse und Muskelkraft haben einen positiven Einfluss. Bei Herzpatient*innen ist diese allerdings oft krankheitsbedingt oder auch wegen langer Phasen ohne körperliche Aktivität unterdurchschnittlich ausgeprägt. […]

Um herauszufinden, wie Krafttraining gerade bei älteren und gebrechlichen Herzpatient*innen wirkt, wie es konkret umgesetzt werden kann und ob es sicher ist, hat sich Bjarnason-Wehrens mit mehreren Fachkolleg*innen zusammengetan und für das angesehene amerikanische „Journal of Cardiolulmonary Rehabilitation and Prevention“ eine systematische Übersichtsarbeit – ein sogenanntes Review – angefertigt. Das Ziel dieser Übersichtsarbeit war es, auf Grundlage der bereits bestehenden Literatur, Wissen zusammenzutragen und gleichzeitig herauszuarbeiten, wo weiterer Forschungsbedarf besteht. Die Autor*innen analysierten dafür die Daten der seit 2010 veröffentlichten Metaanalysen und Studien zum Krafttraining bei Herzpatient*innen (d.h. Patient*innen mit koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Herzklappenerkrankungen*) und fassten deren Ergebnisse zusammen. Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf dem Krafttraining bei älteren und/oder gebrechlichen Patient*innen.

Bereits mit Erreichen des 30. Lebensjahres beginnt der altersbedingte Muskelabbau im menschlichen Organismus. Ohne zusätzliches Training baut der Körper ab diesem Zeitpunkt jedes Jahr bis zu ein Prozent seiner Muskeln ab und wandelt sie in Fettgewebe um. Bei Menschen über 70 liegt dieser Prozentsatz bei drei Prozent Muskelmasse pro Jahr. Auch bestimmte Krankheitsprozesse können im höheren Alter Muskelmasse und -kraft zusätzlich reduzieren. […] In mehreren Studien, die in das Review eingeflossen sind, untersuchten die Forschenden, wie es um die Muskelkraft von Patient*innen mit Koronarer Herzkrankheit bestellt ist. Dafür ermittelten sie deren isometrische Quadrizeps-Kraft, also die Kraft, die beim Anspannen des vorderen Oberschenkelmuskels entfaltet werden kann. Die Daten zeigen: Ein hohes Maß an isometrischer Kraft des Quadrizeps verringert die Gesamtmortalitätsrate um 23 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen seiner Herzerkrankung zu versterben, ist um 34 Prozent geringer. Bis zu 50 Prozent der Herzinsuffizienz-Patient*innen litten unter Sarkopenie (Muskelschwund im Alter) mit reduzierter Muskelmasse und Muskelkraft. Bis zu 15 Prozent der Untersuchten entwickelten Kachexie, eine Stoffwechselveränderung, die den Muskelabbau zusätzlich beschleunigt und die Knochendichte verringert. Bei ihnen war die Muskelkraft häufig schon so stark zurückgegangen, dass es vermehrt zu Stürzen und Knochenbrüchen gekommen war. Rund die Hälfte der Menschen mit Herzinsuffizienz war gebrechlich. Die Gebrechlichkeitsrate unter den Herzklappenerkrankten variierte je nach Studie zwischen sechs und 90 Prozent.

Das Krafttraining, das in den untersuchten Studien mit den verschiedenen Patient*innengruppen durchgeführt wurde, zeigt durchweg positive Auswirkungen: Die Leistungsfähigkeit der Patient*innen steigt, die Muskelkraft und die Körperzusammensetzung wird verbessert und die Mobilität wächst. „Krafttraining hat ganz deutlich einen Effekt. Nicht nur auf die Muskelkraft, sondern auch auf die Lebensqualität. Die Patienten kommen im Alltag besser klar und sind mobiler“, folgert Bjarnason-Wehrens. Die Art und Intensität des Krafttrainings waren dabei sekundär. Größere Effekte erzielten nur diejenigen, die häufiger und über einen längeren Zeitraum trainierten. Die Effekte des Trainings hielten langfristig an. Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz hatte das Krafttraining keinen negativen Einfluss auf die Pumpleistung des Herzens. „Die Befürchtung, dass ein Krafttraining die Herzfunktion negativ beeinflusst, wurde nicht bestätigt. In einer Metaanalyse wurde sogar eine leichte Verbesserung der Pumpleistung des Herzens durch Krafttraining beobachtet“, skizziert Bjarnason-Wehrens konkrete Ergebnisse. Und was die Forscherin besonders herausstellt: In allen Krafttrainingsstudien, die das Review umfasst, gab es beim Training keine schwerwiegenden Komplikationen. […]

Vollständige Quelle: DSHS Köln