Können wir gefährliche Asteroiden ablenken?
In Deutschland gebaute ESA-Raumsonde Hera nimmt erdnahe Asteroiden unter die Lupe
Wie gefährlich Asteroiden sein können, hat die Erdgeschichte wiederholt gezeigt. Auch heute lässt sich der verheerende Einschlag eines Himmelskörpers auf der Erde nicht ausschließen. In Science-Fiction-Filmen gibt es bereits Technologien, um Einschläge zu verhindern.Doch kann die Abwehr von Asteroiden auch im „wahren Leben“ gelingen?
Diese und viele weitere Fragen soll die Mission Hera der Europäischen Weltraumorganisation ESA beantworten. Am 7. Oktober 2024 hat das dreiwöchige Startfenster für die Raumsonde begonnen.
Sie ist mit einer Falcon 9-Rakete vom Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral in Florida zu ihrer zweijährigen Reise zum Doppelasteroiden Didymos und Dimorphos aufgebrochen, den sie für sechs Monate untersuchen wird.
Deutschland ist größter Beitragszahler der Mission. Die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert diese deutschen ESA-Beiträge mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Das DLR ist mit der DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und Astronautentraining in Köln und dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin wissenschaftlich beteiligt. In Bremen erfolgte bei der Firma OHB die Entwicklung und der Bau der Hera-Raumsonde. Mit einer neu entwickelten Antenne „Made in Germany“ wird Hera ihre Daten Richtung Erde schicken. Zwei Kameras aus Jena liefern Bilder von Didymos und Dimorphos.
„Vor 66 Millionen Jahren schlug ein Asteroid in Mexiko ein und war sehr wahrscheinlich die Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Träfen große Asteroiden die Erde, wäre das eine reale Bedrohung für unseren Planeten und die gesamte Menschheit. Mit unserer Mission Hera erweitern wir unser Wissen über Asteroiden und leisten zusammen mit NASA, JAXA, ESA sowie weiteren Raumfahrtagenturen einen großen Beitrag auf dem Weg zu einer wirksamen planetaren Verteidigung unserer Erde“,
sagt Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Planetare Verteidigung gegen Asteroiden
Asteroideneinschläge auf der Erde sind heute sehr selten, können jedoch gravierende Auswirkungen haben. Am 15. Februar 2013 wurden etwa 1.500 Menschen verletzt, als ein kleiner Asteroid mit 20 Metern Durchmesser nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk in die Erdatmosphäre eingetreten war.
Er verdampfte größtenteils, seine Reste lösten bei seiner Explosion in rund 30 Kilometer Höhe aber eine Druckwelle aus, die unzählige Fensterscheiben in der Millionenstadt zersplittern ließ. Sie waren die Ursache für die Verletzungen.
„Tscheljabinsk war ein Ereignis, das uns als Mahnung dienen kann. Um gefährliche Ereignisse künftig zu verhindern, brauchen wir die Daten der Hera-Mission“,
erklärt Dr. Manuel Metz, Hera-Projektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
„Die Folgen des Einschlags eines größeren Himmelskörpers wären ungleich heftiger. Sie könnten gar ganze Ozeanküsten oder Kontinente bedrohen. Dies hätte existenzielle Folgen für den Fortbestand der Menschheit“,
betont Dr. Stephan Ulamec von der DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und Astronautentraining, der an Hera wissenschaftlich beteiligt ist.
„Davon zeugen nicht zuletzt Überreste des fast 200 Kilometer großen Chicxulub-Kraters im heutigen Mexiko.“
Vorbereitung zur Abwehr erdnaher Objekte
Die gute Nachricht: Keines der etwa 36.000 bekannten, erdnahen Objekte – die sogenannten NEOs (Near Earth Objects) – mit mehr als hundert Meter Durchmesser befindet sich gegenwärtig auf Kollisionskurs mit der Erde.
Der 2004 entdeckte Asteroid Apophis etwa wird 2029 die Erde passieren. Bei seinem Vorbeiflug kommt er ihr mit 31.750 Kilometern über der Oberfläche näher als Satelliten, die sich auf einer geostationären Umlaufbahn befinden. Er hat rund 350 Meter Durchmesser, was im Fall eines Einschlags extreme Auswirkungen hätte. Eine solche Kollision kann nach aktuellem Kenntnisstand für das 21. Jahrhundert ausgeschlossen werden.
Dass er die Erde so nah passiert zeigt jedoch, dass wir auf solche Objekte stets vorbereitet sein müssen.
Um Methoden zu entwickeln, wie die Menschheit solchen Gefahren wirksam begegnen kann, führen die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und die Europäische Weltraumorganisation ESA die Kooperation „Asteroid Impact & Deflection Assessment“ (AIDA; „Asteroiden-Einschlag- und Ablenkungs-Untersuchung“) durch. Sie besteht aus der NASA-Mission DART und der ESA-Mission Hera.
Missionen DART und Hera
Den Anfang machte die NASA mit der Raumsonde DART (Double Asteroid Redirection Test). Als Ziel wurde der Doppelasteroid Didymos und Dimorphos gewählt, wobei der deutlich kleinere Dimorphos (Durchmesser etwa 150 Meter) den größeren Didymos (Durchmesser etwa 800 Meter) als Asteroidenmond umkreist. Ziel war, die Umlaufzeit beider Asteroiden umeinander zu beeinflussen.
Hierzu schlug DART am 26. September 2022 kontrolliert mit einer Geschwindigkeit von über sechs Kilometern pro Sekunde (22.500 Kilometer pro Stunde) auf Dimorphos ein. Messungen mit Teleskopen konnten ermitteln, dass sich die Umlaufzeit von Dimorphos von ursprünglich 11 Stunden 55 Minuten um 33 Minuten verkürzt hatte – zuvor modelliert waren nur 10 Minuten.
Hera wird nun auf den Weg zum Doppelasteroiden geschickt, um zu untersuchen, wie genau sich Umlaufzeit und Gestalt der Asteroiden verändert haben. Hierzu ist die Sonde mit zwölf Messinstrumenten ausgestattet. Unter den wichtigsten sind die beiden Asteroid Framing Cameras (AFC), zwei in Jena gebaute, redundant ausgelegte, monochromatische Kameras, die genutzt werden, um die Position der Raumsonde in dem Asteroidensystem zu bestimmen. Sie sind essenziell für die Navigation der Sonde und werden darüber hinaus zur Erforschung der Asteroiden beitragen.
Digitale Geländemodell der Asteroiden
Das Hera-Wissenschaftsteam wird aus den Bildern der Framing Cameras ein digitales Geländemodell der Asteroiden berechnen und auf Dimorphos („der Zweigestaltige“, was auf seine veränderte Form nach dem Impakt abzielt) nach Veränderungen suchen, die durch den DART-Einschlag verursacht wurden:
„Entstand auf Dimorphos ein Krater? Wurde der gesamte Asteroid verändert? Wurde auch die Oberfläche von Didymos von Auswurfmaterial getroffen? Diese Fragen wollen wir mit unserem digitalen Geländemodell beantworten“,
sagt der wissenschaftliche Leiter der Kameras, Dr. Jean-Baptiste Vincent vom DLR-Institut für Planetenforschung.
CubeSats landen auf Dimorphos
Hera führt zudem zwei CubeSats, Juventas und Milani, mit sich, die jeweils die Größe eines Schuhkartons haben. Sie werden Dimorphos aus nächster Nähe beobachten und in der Schlussphase der Mission sogar auf dem Asteroiden landen, um dessen Oberfläche, innere Struktur und Gravitation zu messen.
Durch die Messungen soll die exakte Masse von Dimorphos ermittelt werden, die zuvor bereits durch die AFCs bestimmt wurde. Die Bestimmung der Masse ist erforderlich, um nachvollziehen zu können, wie effektiv die Ablenkung durch DART genau war. Aus den gewonnenen Daten kann anschließend berechnet werden, wie die Ablenkung von anderen Himmelskörpern gelingen kann.
Für den Fall eines Asteroiden auf tatsächlichem Kollisionskurs wird dies die Grundlage einer echten planetaren Ablenkmission sein. Zudem werden die gesammelten Daten einen weiteren Meilenstein für die Asteroidenforschung im Allgemeinen darstellen.
Deutsche Technik in einem europäischen Gemeinschaftsprojekt
Deutschland ist an der ESA-Mission als größter Beitragszahler mit etwa 130 Millionen Euro (37 Prozent der Gesamtsumme) beteiligt.
Entwickelt und gebaut wurde die Hera-Sonde von der Firma OHB SE in Bremen. Eine neu entwickelte Antenne aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff stammt von der Münchner Firma HPS. Die beiden Asteroid Framing Cameras kommen von Jena-Optronik. Die TU Dresden ist maßgeblich an der Entwicklung des Radarexperiments auf dem Cubesat Juventas beteiligt. Zudem sind Forschende aus Deutschland im Hera-Science-Team engagiert, um die gewonnenen Daten der Mission wissenschaftlich auszuwerten.
Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert all diese deutschen Beiträge zur Mission mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).