DLR_Forschungsflugzeug_D328

Bild: Forschungsflugzeug D328 ®

Klimaverträgliche Luftfahrt

Fliegendes Labor misst erstmals Emissionen eines Turboprop-Flugzeugs mit 100 Prozent synthetischem Kraftstoff

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Flugzeughersteller Deutsche Aircraft führen im Oktober 2024 weltweit erstmals Messflüge hinter einem Turboprop-Flugzeug durch, das mit 100 Prozent synthetischem aromatenfreiem Kraftstoff angetrieben wird.

In 50 bis 500 Meter Entfernung misst die DLR-Falcon dabei die Emissionen der D328® UpLift. Ziel ist es, neben dem CO2-Fußabdruck des Luftverkehrs auch den Partikelausstoß und die klimawärmenden Kondensstreifen zu reduzieren und damit einen Weg für die klimaverträgliche Luftfahrt zu bereiten.

Ausgehend vom Flughafen Oberpfaffenhofen haben bereits erste Emissionsmessungen am Boden und vier Forschungsflüge mit 100 Prozent synthetischem Kraftstoff stattgefunden. Sechs weitere Forschungsflüge sind bis Ende Oktober 2024 geplant.

“Für die klimaverträgliche Luftfahrt werden nachhaltige Brennstoffe zukünftig eine wichtige Rolle spielen und hier insbesondere strombasierte Kraftstoffe für die breite Produktion“,

erklärt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt.

„Deshalb freue ich mich besonders, dass unser neues Forschungsflugzeug D328 UpLift weltweit erstmals auf seiner Forschungskampagnen-Premiere mit solch einem synthetischen aromatenfreien Brennstoff in seinen Turboprop-Triebwerken fliegt. Mit unserem ‚Fliegenden Labor‘ Falcon 20E bringen wir die herausragenden Kompetenzen des DLR ein, die Emissionen sowie die resultierenden Kondensstreifen direkt im Flug zu vermessen.“

Frühere Flugversuche, die das DLR gemeinsam mit der NASA und mit Airbus durchführte, zeigten bereits, dass der Einsatz von nachhaltigem Biokraftstoff zu einer Reduktion der Rußpartikel, der Eiskristalle und der Klimaerwärmung durch Kondensstreifen führt.

D328® UpLift während der Betankung mit synthetischem Kraftstoff

Bild: D328® UpLift während der Betankung mit synthetischem Kraftstoff | DLR

Im Projekt CLIM0ART (Climate Impact-driven Emission and Contrail Measurements of 0 Aromatic fuels in Regional Turboprop Aircraft) wird nun untersucht, ob mit synthetischen aromatenfreien Kraftstoffen ähnliche Wirkungen erzielt werden können.

Weiteres Ziel sind erste Messungen der Emissionen eines Turbopropflugzeugs im Flug. Anders als bei Düsenstrahlflugzeugen gibt es hierzu keine öffentlichen Emissionsdaten. Diese Daten werden für die Modellierung der Klimaeffekte der aktuellen und zukünftigen Regionalflotte als Referenz benötigt.

„Das CLIM0ART-Projekt ist ein weiteres Puzzlestück in unserem ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung der Umweltauswirkungen unserer Flugzeuge, mit dem Ziel, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse für das Klima so schnell wie möglich in unserem in der Entwicklung befindlichen D328eco umzusetzen“,

sagt Nico Neumann, Chief Operations Officer, Deutsche Aircraft.

“Diese Errungenschaft unterstreicht nicht nur das Potenzial synthetischer Kraftstoffe, sondern auch wie bedeutend die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen ist.“

Das Forschungsflugzeug D328® UpLift musste nach der Übergabe an das DLR erst einmal auf die Nutzung mit aromatenfreiem Treibstoff vorbereitet werden. Dichtungen wurden getauscht und das Treibstoffsystem und die Triebwerke für den Betrieb mit aromatenfreien Brennstoffen angepasst und getestet.

Die Flüge finden als Testflüge statt, weil die Nutzung von 100 Prozent synthetischen aromatenfreien Kraftstoffen heute noch nicht allgemein zertifiziert ist.

Bild: Ein Messinstrument saugt während des Fluges Luftproben an und erfasst die Größe und Dichte der eingefangenen Partikel | DLR

Ritt im Abgasstrahl

Ein gemeinsamer Forschungsflug startet vom Flughafen Oberpfaffenhofen aus. Die DLR-Forschungsflugzeuge D328® UpLift und Falcon 20E fliegen dann für die Messungen in einen für die Flugversuche reservierten Luftraum ein.

„Hier führen beide Flugzeuge etwa zwei Stunden lang Messungen durch, bei denen die Falcon in 50 Metern Abstand in den Abgasstrahl einfliegt und die Emissionen der D328® beprobt oder für Partikelmessungen in größerer Entfernung durch geschicktes Manövrieren immer wieder in die Kondensstreifen der D328® eintaucht“,

erklärt der Leiter des DLR-Flugbetriebs Ingmar Mayerbuch.

„Gerade die enge Verfolgung ist für die Testpiloten sehr herausfordernd und erfordert höchste Konzentration.“

„Aromatenfreie Biokraftstoffe verringern den Ausstoß von Rußpartikeln und die Bildung von Eiskristallen in Kondensstreifen, womit diese weniger wärmend wirken“,

sagt die wissenschaftliche Leiterin des Projekts Prof. Christiane Voigt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre.

„Nun untersuchen wir, ob mit synthetischen Kraftstoffen ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Außerdem interessieren uns die Emissionen von Turbopropflugzeugen der Regionalflotte, die wir als Referenz für zukünftige neuartige Antriebstechnologien zum Beispiel mit Wasserstoff heranziehen können.“

Aromatenfreie Kraftstoffe, Ruß, Kondensstreifen und Klimawirkung

Flugzeugtriebwerke stoßen Rußpartikel aus, die bei kalten Temperaturen zur Bildung von Eiskristallen in Kondensstreifen beitragen. Bei feuchten Wetterbedingungen können die Kondensstreifen über mehrere Stunden bestehen und sich ausbreiten.

In dieser Zeit wechselwirken die Eiskristalle mit der Wärmestrahlung der Erde. Sie halten die Wärmestrahlung in der Atmosphäre gefangen, was zu einer Erwärmung führt. Internationale Studien zeigen, dass die Erwärmung durch die Nicht-CO2 Effekte im Luftverkehr ähnlich groß sein kann, wie die Klimawirkung des gesamten CO2 Ausstoßes seit Anbeginn der Luftfahrt.

Aromaten im Treibstoff spielen eine zentrale Rolle als Vorläufer für Rußpartikel.

Die aromatischen Kohlenwasserstoffringe sind stärker gebunden als langkettige Kohlenwasserstoffverbindungen und daher sind Aromate bei Verbrennungsprozessen gute Rußvorläufer. Messungen des DLR haben gezeigt, dass der Einsatz von 50 und 100 Prozent biobasierten Kraftstoffen zu einer Verringerung der Ruß- und der Eispartikel führt. Dadurch kann die Erwärmung durch Kondensstreifen um 15 bis 40 Prozent reduziert werden.

Synthetische strombasierte Kraftstoffe (Power-to-Liquid, PtL) sind eine Variante nachhaltiger Kraftstoffe für die Luftfahrt (Sustainable Aviation Fuels, SAF).

PtL-Kraftstoffe bieten das Potential, die CO2-Bilanz des Luftverkehrs um bis zu 95 Prozent zu reduzieren, anders als bei nutzpflanzenbasierten Biokraftstoffen ohne in die Nährstoffkette einzugreifen. Die Herstellung von synthetischen PtL-Kraftstoffen wird zukünftig aus CO2 und Wasser mittels erneuerbarer Energien erfolgen.

Der in UpLift verwendete Kraftstoff, ein 100 Prozent aromatenfreies Fischer-Tropsch Synthetic Paraffinic Kerosene (FT-SPK), ist zukünftig verfügbarem PtL chemisch und prozesstechnisch äquivalent (PtL-Proxy).

Zur Verfügung gestellt wird der Kraftstoff von der Firma Sasol. Das DLR arbeitet bereits daran, zukünftig die industrielle Produktion von PtL-Kraftstoffen zu erproben. Anfang Oktober 2024 erfolgte dafür der Spatenstich zum Bau der Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe (TPP) in Leuna.