Parabelflug

Bild: Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Kardiologische Messmethoden und Kreislaufstabilisation in Schwerelosigkeit

44. DLR-Parabelflugkampagne

Am 10. Juni 2025 ist der Airbus A310 ZERO-G um 9:30 Uhr vom Flughafen Bordeaux-Mérignac gestartet, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit ihren Experimenten in die Schwerelosigkeit zu bringen.

Es ist der erste von drei Flugtagen während der 44. Parabelflugkampagne der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die bis zum 13. Juni stattfindet.

Komplexe Plasmen und medizinische Forschung

Während der aktuellen Parabelflugkampagne werden insgesamt zehn Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen an Bord durchgeführt. Neu dabei sind die Experimente ARTIFACTS zu Störfaktoren in kardiologischen Messmethoden und ComFly, ein Experiment, das den Kreislauf über die Kompression der Beine stabilisieren soll.

Im Experiment „Komplexe Plasmen und KI“ wird zum zweiten Mal die Einbindung einer Künstlichen Intelligenz (KI) getestet, um die Ergebnisse automatisch zu analysieren. Zudem ist das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik aus Oberpfaffenhofen mit einem Experiment zum menschlichen Positionssinn vertreten.

ARTIFACTS

Bei der Messung der Herzfunktion kann es zu Störsignalen kommen, die die Messungen verfälschen. Sie entstehen, wenn die entsprechenden Sensoren unter Schwerkraft durch den Herzschlag kippen und drehen.

Im Experiment ARTIFACTS (Identifikation gravitationsbedingter Artefakte ballisto-kardiographischer Signale im Vergleich Schwerelosigkeit und bei normaler Gravitation) soll untersucht werden, wie genau diese Störsignale entstehen. In Schwerelosigkeit sollte das Problem nicht auftreten. Daher werden vier gesunde Personen mit Sensoren versehen und deren Bewegung während der Parabeln erfasst.

Die Sensoren sind klein und leicht und können mit Pflastern auf der Haut oder an der Kleidung befestigt dauerhaft getragen werden. Sie sind außerdem unempfindlich gegen Strahlung und deswegen sehr gut geeignet, bei Weltraummissionen eine dauerhafte und nicht-invasive Überwachung der Herzgesundheit sicherzustellen. Unter dem Namen „SpacePatch“ werden die Sensoren derzeit für den Einsatz auf längeren Raumflügen, beispielsweise zum Mond, vorbereitet.

ComFly

Das Experiment ComFly (CompressionFly) der Charité Berlin untersucht die Anwendung von Kompressionsgeräten an den Beinen zur Stabilisierung des Kreislaufsystems. Während des Fliegens ändern sich Gravitationskräfte und es können sich Blutstauungen im Körper bilden. Ziel ist es, das Blut durch Druck auf die Beine an einer Stauung zu hindern und das Herz-Kreislauf-System dadurch zu stabilisieren.

Die Ergebnisse dieses Experiments könnten für die Entwicklung von Technologien für Langzeitmissionen im Weltall entscheidend sein. Starts, Landungen und längere Aufenthalte in Schwerelosigkeit sind sehr belastend für das Herz-Kreislauf-System. Hier Abhilfe schaffen zu können, würde längere Mission erst ermöglichen.

Komplexe Plasmen und KI

Komplexe Plasmen sind elektrisch leitende Gase, ähnlich wie in Leuchtstoffröhren verwendet, in die Mikropartikel (Staubteilchen) eingebracht werden. Diese Mikropartikel laden sich in einer Plasmakammer stark negativ auf und werden durch elektrische Felder zum Schweben gebracht. Die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Mikropartikeln ist sehr stark, sodass neue interessante Phänomene auftreten können.

Ziel des Experiments „Untersuchungen von KI-Methoden zur Durchführung von komplexen Plasmen in der Schwerelosigkeit“ ist, das Verhalten der Mikropartikel im Plasma zu untersuchen, beispielsweise die temporäre Bildung von kristallinen Strukturen, sogenannten Plasmakristallen.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz werden die Ergebnisse des Experiments automatisch kontrolliert. Insbesondere ist die KI in der Lage, die Partikel und ihre Strukturen sofort zu analysieren.

Diese Experimente und ihre Auswertung werden im Labor durch den Einfluss der Schwerkraft auf die Mikropartikel teilweise stark beeinträchtigt. Deshalb werden Experimente mit komplexen Plasmen seit langem unter Schwerelosigkeit beispielsweise auf Parabelflügen oder der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt.

Positionssinn unter veränderten Gravitationsbedingungen

Bei zukünftigen Raumfahrtmissionen auf dem Mond oder Mars werden Roboter zum Einsatz kommen, die durch Astronautinnen und Astronauten ferngesteuert werden.

In Schwerelosigkeit haben Menschen jedoch Schwierigkeiten, die Position ihrer Gliedmaßen genau zu bestimmen. Das beeinträchtigt die motorische Genauigkeit und damit auch die Steuerung von Robotern. Um diesem Problem zukünftig begegnen zu können, untersucht das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen den menschlichen Positionssinn in Schwerelosigkeit und erhöhter Gravitation.

Dabei ruhen die Arme von sechs Versuchspersonen auf Hebeln. Jeweils ein Hebel wird auf eine Testposition gefahren. Mit dem zweiten Hebel wird anschließend die Position des anderen Hebels angezeigt.

Die DLR-Parabelflugkampagnen

Seit 1999 organisiert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR regelmäßig eigene Parabelflugkampagnen für biologische, humanphysiologische, physikalische, technologische und materialwissenschaftliche Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen.

Das Forschungsflugzeug, der A310 Air ZERO-G der französischen Firma Novespace, wird dabei nicht nur für die wissenschaftliche Kampagnen des DLR genutzt, sondern auch von anderen Raumfahrtagenturen wie der Europäischen Weltraumorganisation ESA oder der französischen Raumfahrtagentur CNES.

Eine Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit ungefähr vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Während jeder Parabel herrscht für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit.

Insgesamt stehen bei einer Flugkampagne also circa 35 Minuten Schwerelosigkeit – im Wechsel mit normaler und nahezu doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forschende für ihre Experimente nutzen können. Bis zu 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen, bei dem sich um die zehn Experimente an Bord befinden.

Weitere Meldungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt unter diesem Link.