Hinter den Kulissen: Prof. Obermaier
Forschende aus Köln stellen sich vor
Kurzinterview mit Prof. Dr. Michael Obermaier von der Katholischen Hochschule NRW (katho)
Sie haben das Institut „foki“ gegründet – Was unterscheidet Ihr Institut von anderen Instituten im Wirkungsfeld Kindheit und Familie?
Die Gründung des Instituts war nicht meine, sondern eine gemeinschaftliche Vision von mehreren Erziehungs- und Sozialwissenschaftler*innen sowie Fachkolleg*innen angrenzender Disziplinen der Katholischen Hochschule NRW, die vorwiegend durch gemeinsame Forschung entstanden ist. Obschon das Institut noch jung ist, 2019 gegründet, war die fachwissenschaftliche Kontur natürlich schon vorher gegeben. Unser primäres Ziel war und ist es, nach Gelingensbedingungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu fragen und dabei konsequent auch die Perspektive der Kinder und Jugendlichen einzunehmen: Betroffene zu Beteiligten zu machen. Dies klingt zunächst selbstverständlich und scheint als Differenzkriterium fraglich, bei genauerer Betrachtung wirft dies allerdings enorm herausfordernde Fragen auf, die zu lösen wir auch nicht immer in der Lage sind. Wesentlich wichtiger als auf Unterschiede zu achten und auf Alleinstellungsmerkmale hinzuweisen erscheint mir jedoch die Kooperation mit anderen Instituten auf den Ebenen Forschung, Transfer und Nachwuchsförderung.
Wer profitiert von Ihren Forschungsergebnissen?
Hoffentlich alle Beteiligten! Wir arbeiten auf Basis einer sozialökologischen Heuristik, die – auf der Metaebene betrachtet – alle Akteure in den Blick nimmt und auf Humanisierung und Demokratisierung abzielt. Unsere aktuelle Forschung beispielweise zum Kinderschutz während des Lockdowns zeigt auf, wie viele Akteure mit ins Boot genommen werden müss(t)en, um Effekte für alle zu bewirken: Jugendämter, Kitas, Pädiatrie, Schule, Polizei, Justiz, Fachberatungen, …. Trotz eines hohen Maßes an Kulturoptimismus bleibe ich hier Realist und betone den unhintergehbaren Wert von Forschung im Sinne einer „funktionalen Integration“ in Bildungs- und Sozialpolitik.
In welchem Bereich sehen Sie den höchsten Handlungsbedarf?
Eine Entscheidung darüber zu treffen, in welchem Bereich ich den höchsten Handlungsbedarf sehe, ist angesichts der vielen drängenden sozialen, ökologischen und ökonomischen Themen schwierig. Aus pädagogischer Sicht lässt die im Juni 2020 angebrochene UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ auf globaler und lokaler Ebene berechtigt hoffen, dass wir die bekannten Handlungsbedarfe nicht tabuisieren oder ignorieren, sondern aktiv und auch kontrovers diskutieren werden, um daraus valide Impulse für eine innovative und nachhaltige Gestaltung des Erziehungs- und Bildungssystems zu erhalten.
Wie würden Sie Ihren persönlichen Erziehungsstil bzw. Umgang mit Familie beschreiben?
Familie ist ja stets eine situative, fragile und täglich zu tätigende Herstellungsleistung und eben keine Institution, die hierarchisch gegeben ist und überdauert, insofern ist ein reziproker Aushandlungsprozess konstitutiv. Der Begriff der „autoritativen Haltung“ würde meinen familialen Umgang fachlich treffend zuordnen: von der Erziehung zur Beziehung, vom Befehlshaushalt zum Verhandlungshaushalt, Gleichwertigkeit statt Gleichartigkeit.
ZUR PERSON
Prof. Dr. phil. Dipl.-Päd. Michael Obermaier geboren 1971, studierte Allgemeine Pädagogik, Psychologie und Soziologie an der Universität Regensburg und promovierte am Institut für Bildungsphilosophie, Anthropologie und Pädagogik der Lebensspanne der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln. Nach Professuren an der Universität zu Köln und der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf ist er seit 2014 Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Kindheitspädagogik an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (Abt. Köln). Neben seinen Funktionen als Mentor im hochschuldidaktischen Netzwerk NRW (hdw), als Studiengangsleitung Kindheitspädagogik oder als Prodekan im Fachbereich Sozialwesen ist Michael Obermaier u.a. als Leiter des Instituts für Forschung und Transfer in Kindheit und Familie (foki), als Leiter der Sektion Pädagogik der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft und als Mitherausgeber der „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik“ sowie der in 2021 startenden Reihe „Pädagogische Diskurse“ engagiert.