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© Katsanidou

Hinter den Kulissen: Prof. Katsanidou

Forschende aus Köln stellen sich vor

Kurzinterview mit Prof. Dr. Alexia Katsanidou von der gesis – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften

Was sind Ihre Aufgaben als Direktorin des Datenarchivs für Sozialwissenschaften?
Die Abteilung „Datenarchiv für Sozialwissenschaften“ ist Deutschlands zentrale Infrastruktureinrichtung zur Registrierung, Dokumentation und Archivierung von quantitativen Forschungsdaten, die Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen in nationaler, international-vergleichender und historischer Perspektive fördert. Im Datenarchiv stehen über 6.000 Studien zur Verfügung und jedes Jahr werden mehr als 50.000 Datensätze an Nutzende ausgeliefert.

Meine Aufgabe ist die strategische Weiterentwicklung dieses Bereiches sowohl durch meine Präsenz in den unterschiedlichen nationalen und internationalen Gremien zum Thema Datenmanagement, als auch durch den Kontakt mit wissenschaftlichen Communities (national und international) die Bedarfe der Sozialwissenschaften von einer Infrastruktur zu verstehen und zu adressieren.

Darüber hinaus leite ich eine Forschungsgruppe innerhalb von GESIS mit Schwerpunkt auf Demokratie- und Krisenforschung, die sich sehr aktiv durch Drittmittelprojekte und Publikationen mit aktuellen Forschungsfragen beschäftigt: Wie verändert sich unsere Gesellschaft durch die Krisen in den letzten Jahren? Was beeinflusst Einstellungen gegenüber Klimawandel, COVID-19, oder Europäische Solidarität? Und was ist der Einfluss dieser Einstellungen auf das Verhalten und die Politik?

Im Bereich Forschung beschäftigen Sie sich mit „Comparative Study of Electoral Systems“ (CSES) – was verbirgt sich dahinter?
Die CSES Studie ist ein Referenzpunkt für die vergleichende Demokratieforschung. Die Studie bringt Inhalte von mehreren nationalen Wahlstudien aus der ganzen Welt zusammen. Sie beinhaltet input-harmonisierte Fragen zu politischen Einstellungen und zum Wahlverhalten, demographische Daten sowie Makroangaben zu den politischen Systemen der partizipierenden Länder. Sie ist extensiv benutzt worden, um Forschungsfragen in der Wahl- und Demokratieforschung zu beantworten, wie etwa was der Einfluss von systemischen Variablen (z. B. Wahlsysteme) auf individuelles Wahlverhalten ist.

Warum ist eine CSES-Studie überhaupt wichtig?
In den Sozialwissenschaften gibt es sehr viele Forschungsfragen, die nur mit international komparativen Daten zu beantworten sind. Wir haben viele Umfragen, die von der Konzeption her vergleichend sind, wie etwa das International Social Survey Programme, die European Value Study, oder die European Social Survey. Das besondere bei CSES ist, dass es existierende nationale Initiativen, also die nationalen Wahlstudien, zusammenbringt, und Standards für sie entwickelt, die eine Zusammenführung dann ermöglicht. D.h. die nationalen Wahlstudien können ihre Unabhängigkeit behalten, um national-relevante Forschungsfragen zu beantworten, aber gleichzeitig Teil ihrer Daten so gestalten, dass sie auch der komparativen Forschung dienen können. CSES ist also ein erster solider Schritt in dieser Richtung.

Ich arbeite jetzt intensiv in einer weiteren Initiative, Monitoring Electoral Democracy (MEDem), die nicht nur die CSES Daten über Wähler umfasst, sondern auch Studien über die Einstellungen und Verhalten von Eliten und ihre Kommunikation, von Parlamenten, Medien, Sozialen Medien, Parteien und andere relevante Institutionen zusammenführt. Ziel ist hier Forschern verlinkbare Daten anzubieten, die dann Forschungsfragen zu Zeit-, Länder- und Akteur-Vergleichen beantworten können.

Würden Sie sagen, Ihnen ist die Archivierung von Daten in die Wiege gelegt worden – oder woher kommt Ihr Interesse?
Schon als Doktorandin hatte ich ein starkes Interesse im Bereich des Datenmanagements, da ich unterschiedliche Wahlstudien harmonisieren musste, um meine Forschung weiter zu bringen. Das Thema Archivierung ist ein wichtiges Element für unsere digitale Gesellschaft. Archivierung hat einen Einfluss auf die Gestaltung unseres kollektiven Gedächtnisses als Gesellschaft, und gibt uns die Grenzen was über die Vergangenheit erforscht werden kann. Außerdem ist sie extrem relevant in der Digitalisierungsdebatte.

ZUR PERSON
Prof. Dr. Katsanidou promovierte im Bereich der Wahlforschung an der University of Essex in England. Sie ist heute Professorin der Empirischen Sozialforschung an der Universität zu Köln und wissenschaftliche Direktorin der Abteilung Datenarchiv für Sozialwissenschaften ” am GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Ihr primäres Forschungsinteresse liegt in der Demokratie- und Wahlforschung und die Rolle von Krisen bei den Einstellungen und Verhalten von Menschen.