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© Fatima Kastner
Hinter den Kulissen: Prof. Kastner
Forschende aus Köln stellen sich vor
Kurzinterview mit Prof. Dr. Fatima Kastner von der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)
Sie haben das Graduiertenkolleg „Anschließen – Ausschließen. Kulturelle Praktiken jenseits globaler Vernetzung“ mit auf den Weg gebracht. Was macht das Graduiertenkolleg aus Ihrer Sicht besonders?
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 3,3 Millionen Euro großzügig finanzierte Graduiertenkolleg versteht sich als eine Art trans-disziplinäres Labor. Angelegt zwischen Wissenschaft, Kultur und Kunst, möchte es insbesondere im Hinblick auf die Nachwuchsförderung einen offenen Raum des wissenschaftlich-künstlerischen Forschens ermöglichen. Hierfür ist der einmalige Zusammenschluss von drei Kölner Hochschulen, der Universität zu Köln, der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) und der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) von herausragender Bedeutung. Dadurch können wir nicht nur einen fächerübergreifenden, wissenschaftlichen Diskurs im Rahmen hochschulübergreifender Forschungsprojekte führen, sondern darüber hinaus eine Plattform des Austausches und der Begegnung anbieten, die auch außer-universitäre Akteursgruppen und deren Wissensformen und Wissenspraktiken miteinbezieht und mitreflektiert. In globalisierten Netzwerken gilt ja Anschlussfähigkeit als eine wesentliche Voraussetzung von Teilhabe. Wir dagegen, interessieren uns auch für die ‚andere Seite‘ von Anschlussprogrammen in den Netzwerken, wie sie sich beispielsweise in migrantischen, mehrheimischen oder transkulturellen Räumen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene ergeben. Insbesondere jene Ausschlüsse wollen wir genauer in den Blick nehmen, die mit den in globalisierten Netzwerken gängigen, standardisierten Praktiken des Anschließens einhergehen. Ziel des Graduiertenkollegs ist es daher, selbstreflexive und zugleich erkenntnis- und methodenkritische Arbeits- und Erkenntnisformen experimentell auszuloten und auf dieser Grundlage eine neue dialogische und transdisziplinäre Methodik zum Verhältnis von Beteiligung und Ausschluss zu entwickeln.
Welche Rolle nehmen Sie als Professorin für Globalisierungsdiskurse und digitale Transformation im Graduiertenkolleg ein und welche Vorteile ergeben sich für Sie und die KHM daraus?
Das Team der 11 Antragsteller*innen kommt aus unterschiedlichen Disziplinen und ich bin eine der Principal Investigators im Kolleg. Wir alle freuen uns wirklich sehr darüber, dass wir mit diesem Graduiertenkolleg und durch die Kooperation der drei beteiligten Hochschulen nun die Möglichkeit haben, in der Kölner Wissenschafts- und Kulturlandschaft neue Akzente setzen zu können. Darüber hinaus, ergibt sich daraus für uns Professorinnen und Professoren jeweils eine finanzierte Doktordand*innenstelle. Für das Promotionsprogramm der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) eröffnen sich mit dem Kolleg weitreichende Optionen der Förderung und Qualifizierung unserer Absolvent*innen bei der Erstellung einer international sichtbaren und wettbewerbsfähigen Forschungsleistung in angemessener Zeit bis zur Postdoc-Phase. Hierbei reichen die hochschulübergreifenden Kooperationsmöglichkeiten von der Teilnahme unserer Promovend*innen an gemeinsamen Lehrveranstaltungen, Vortragsreihen, kuratorischen Projekten mit Kulturträgern der Region, über Jahrestagungen, Kolloquien und Master Classes bis hin zu Summer-Schools mit den außereuropäischen Partnerhochschulen des Graduiertenkollegs in China, Japan, Mexico und Süd Afrika. Damit können wir nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch auf der internationalen Wissenschaftslandschaft Präsenz zeigen.
Inwieweit spielt der Globalisierungsdiskurs auch privat für Sie eine Rolle und was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade arbeiten?
Globalisierung und Digitalisierung beeinflussen nahezu alle Bereiche der sozialen Lebenswelt und stellen uns vor weitreichende Fragestellungen. Wie verändert die Digitalisierung unser Denken und unser Verhalten? Welche Folgen für Gesellschaft, Ethik und Recht ergeben sich aus der Entwicklung von autonomen Robotern und unsichtbaren Maschinen, die sich in Form künstlicher Intelligenz (KI) an menschlicher Kommunikation und Interaktion beteiligen? Was bedeutet diese technische Durchdringung von Sozialität für das Selbstverständnis des Menschen? Welche Theorien können uns diesen globalen Wandel erklären? Fragen dieser Art betreffen im Kern eine grundlegende sozio-technische Neukonfiguration der Moderne, auf die konventionelle Theorien bisher jedenfalls nur unzureichende Erklärungen gefunden haben. Ich versuche in meinen Forschungen eine Antwort auf diese Fragestellungen zu finden. Zum einen möchte ich herausfinden, wer oder was eigentlich diese künstlichen Systeme sind. Sind zum Beispiel Roboter bloß technisch komplexe Sachen, sozio-technische Assemblagen oder doch eigenständige Subjekte? Zum anderen möchte ich klären, inwieweit autonome künstliche Systeme für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können. Beispielsweise, wenn Roboter in „smarten“ Häusern selbstständig Einkäufe erledigen, in sogenannten Smart Cities ganze Städte orchestrieren oder in Form autonomer Fahrzeugsysteme die Art und Weise mitbestimmen, wie wir uns als „sensing citizens“ in programmierten Umwelten bewegen. Die Frage nach der Verantwortlichkeit digitaler Handlungssysteme verschärft sich zudem um ein Vielfaches, wenn es nicht nur um wie auch immer geartete algorithmusbasierte Assistenzsysteme wie beim autonomen Fahren oder der richterlichen Entscheidungsfindung geht sondern es sich um autonome künstliche Intelligenz handelt, die zwischen Leben und Tod entscheidet.
Was hier wie Science-Fiction anklingt, berührt im Kern eine der ältesten und grundlegendsten Fragestellungen in der Zivilisationsgeschichte der Menschheit. Nämlich die Frage, wer oder was eigentlich als ein freies und autonomes Subjekt gilt? Wer oder was ist eine Person? Was ist Rechtsfähigkeit? Nach welchen Kriterien werden diese in der Gesellschaft bestimmt?
Dass meine Forschungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der globalen Digitalisierung tatsächlich mich auch ganz persönlich betreffen, lässt sich zum Beispiel an meiner Faszination für kommerzielle Roboter festmachen. So musste ich erst kürzlich feststellen, dass mein neuer Staubsaugerroboter zwar wunderbar sauber macht zugleich aber mich zu Handlungen zwingt, die ich eigentlich gar nicht durchführen möchte.
ZUR PERSON
Prof. Dr. Fatima Kastner ist Professorin für Globalisierungsdiskurse und digitale Transformation an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). Sie studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Soziologie an der London School of Economics and Political Science (LSE) und am Collège International de Philosophie (CIPh) in Paris, bevor sie an der Goethe-Universität zu Frankfurt am Main promoviert und an der Universität Bielefeld habilitiert wurde. Nach ihrer langjährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit am Hamburger Institut für Sozialforschung war sie als Dozentin und assoziierte Professorin an den Universitäten Hamburg, Bielefeld und Bonn tätig.
Kastner ist Mitglied des Instituts für Weltgesellschaft, Cooperating Researcher an der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Research Training Group „World Politics: The Emergence of Political Arenas and Modes of Observation in World Society“ und Ambassador for Science and Culture an der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Globalisierung und Digitalisierung, Transitional Justice und Menschenrechte in lokalen, regionalen und transnationalen Räumen sowie digitale Gesellschaft, Recht und Robotik. Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu den Transformationsprozessen von Gesellschaft und Recht unter den Strukturbedingungen von Globalisierung und Digitalisierung wurde sie bereits mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet.