KWR Kölner Wissenschaftsrunde

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© EU|FH

Hinter den Kulissen: Prof. Clarissa Kurscheid

Forschende aus Köln stellen sich vor

Interview mit Prof. Dr. Clarissa Kurscheid von der Europäischen Fachhochschule (EU|FH)

Prof. Kurscheid, Sie sind Präsidentin der EU|FH und lehren im Bereich „Gesundheits- und Institutionenökonomie“. Erklären Sie doch bitte kurz, was sich hinter den Lehrbegriffen verbirgt.
Die Gesundheitsökonomie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft zwischen Medizin und Ökonomie. Sie hat in den letzten 15 Jahren in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen. Dies vor allem weil wir im Gesundheitswesen einen Gap zwischen Beitragseinnahmen und Leistungsausgaben haben. Dies begründet sich u.a. in einem stetigen medizinischen Fortschritt und der hohen Nachfrage nach Gesundheitsleistungen aufgrund des demografischen Wandels und der ständig steigenden Anzahl an chronisch kranken Menschen. Dem stehen im Rahmen des solidarischen Sozialversicherungssystem eine immer kleiner werdende Gruppe an zahlenden Personen gegenüber. Hier gilt es auf Basis zu erforschender Evidenzen eine gute Entscheidungsgrundlage zu entwickeln, die eine sozialgerechte Finanzierung gewährleistet.

Die Institutionenökonomie befasst sich mit der Entstehung, der Funktion und des zeitlichen Wandels von Institutionen sowie deren Beziehungen zu Akteuren im ökonomischen Umfeld. Unter Institutionen werden hierbei Systeme sowie Netzwerke verstanden, die marktlichen und staatlichen oder staatsmittelbaren Regeln und Normen unterstellt sind. Inzwischen wird auf Basis der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsergebnisse von Ronald Coase häufig auch von neuer Institutionenökonomik gesprochen. Bei dieser werden insbesondere die Transaktionskosten neben den Produktionskosten im Kontext des wirtschaftlichen Handelns gesehen. Damit wurde u.a. die Annahme vollständig informierter Akteure aufgehoben. Die bekanntesten Forschungsgebiete neben dem Transaktionskostenansatz sind die Property Rights-Theorie sowie die Principal Agent-Theorie.

Zudem sind Sie Geschäftsführerin des Forschungsinstituts für Gesundheits- und Systemgestaltung (figus GmbH). Wie befruchten sich die beiden Tätigkeiten gegenseitig?
Neben der oben beschriebenen Theorie und Forschungsansätze ist die Versorgungsforschung ein elementares Thema, ohne dass die Gesundheitsökonomie nicht auskommt. Innerhalb dieser wird die real live Versorgung auf ihre Wirksamkeit untersucht. Das Forschungsinstitut begleitet und evaluiert Versorgungskonzepte und prüft sie dahingehend. Somit bietet die figus für mich eine elementare Grundlage zu den theoretischen Ansätzen der Gesundheitsökonomie. Gleichzeitig bietet das Institut die Möglichkeit, Versorgungsansätze auszuprobieren und neue Optionen zu schaffen – auf der Basis meiner Lebensidee „gestalten heißt verändern“.

Woran forschen Sie aktuell – mit welcher Relevanz für das Gesundheitssystem?
Wir begleiten gerade u.a. ein großes Versorgungsprojekt hier in NRW mit Nucleus in Köln, bei dem wir an verschiedenen Standorten gezielt die Versorgung zwischen stationärem und ambulantem Sektor bahnen und mit begleitenden Aspekten aus der Technik und beispielsweise Fallmanagern anreichern. Dies hat für das Gesundheitssystem eine hohe Relevanz, weil damit insbesondere Menschen mit chronischen und Mehrfacherkrankungen weniger häufig das Krankenhaus aufsuchen müssen und länger gesichert zu Hause leben können

Was treibt Sie persönlich an – Einfluss auf unser Gesundheitssystem und dessen Versorgungslandschaft zu nehmen?
Ich sehe in der Versorgung und in der Systematik des Gesundheitswesens einer der wesentlichen Zukunftspfeiler, die – wenn sie funktionieren – auf alle Branchen positiven Einfluss nehmen können. Denn nur wenn die Gesellschaft gesund ist, ist sie produktiv. Zudem geht es im gesellschaftlichen Kontext um Gemeinsamkeit und gesellschaftliche Teilhabe, Eigenverantwortung, Mitverantwortung und soziale Verantwortung. Innerhalb dieses Spannungsfeldes ist m.E. wichtig sich zu bewegen, dieses auszuloten und weiter zu entwickeln, um so Mehrwerte für das gesellschaftliche Miteinander zu erwirken, das Gesundheitssystem ist eine hochrelevanter Bestandteil in diesem.

ZUR PERSON
Prof. Dr. rer. pol. Clarissa Kurscheid ist Präsidentin der EU|FH Hochschule für Gesundheit, Pädagogik und Soziales. Über die Stationen der Universität zu Köln, der Hochschule Fresenius und der EUFH verfügt Sie seit 17 Jahren über Erfahrung in Lehre, Forschung und Weiterentwicklung von Bildung. Dabei sind neben den fachlichen Schwerpunkten der Gesundheits- und Institutionenökonomie die gestalterische Bildungsarbeit ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Sie ist zudem Geschäftsführerin des priv. Forschungsinstituts für Gesundheits- und Systemgestaltung figus GmbH. Ihr Schwerpunkt liegt im Aufbau und der Konzeption von Versorgungsprojekten und in der Versorgungsforschung. Zudem hat sie das Projekt „Starke Muskeln, starke Knochen“ zur effektiven Behandlung und Prävention von Osteoporose im Gesunden Kinzigtal aufgebaut und entwickelt. Als Vorstandsvorsitzende des MetaForum e.V., welches dem Leitmotiv „Health in all policies“ folgt, engagiert sie sich seit 2012 für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung.