KWR Kölner Wissenschaftsrunde

070922_pixabay_fotoblend_UzK_Jochalgen

© pixabay | fotoblend

Evolution von Landpflanzen

Stammesgeschichte aufgeklärt

Ein internationales Team geleitet von Forschern der Universitäten Köln und Göttingen hat die Stammesgeschichte der Jochalgen (Zygnematophyten) aufgeklärt. Ihre Ergebnisse entschlüsseln die internen Beziehungen der Zygnematophyten mithilfe modernster phylogenomischer Analysen und zeigen die mehrfache Entstehung von Mehrzelligkeit. […]

Landpflanzen sind extrem vielfältig in ihrer Struktur und stellen die komplexesten photosynthetischen Organismen dar. Ihre engsten Verwandten, die Jochalgen (Zygnematophyceae), haben dagegen einen viel einfacheren Bauplan. Diese Algen sind entweder einzellig oder bilden unverzweigte Fäden, was traditionell zur groben Einteilung in einzellige und fadenförmige Taxa verwendet wurde. Die Zygnematophyten umfassen rund 4000 Arten und weisen eine faszinierende morphologische Vielfalt auf – von den schönen Schmuckalgen (Desmidiaceen) bis hin zu fadenförmigen Arten, die für Massenentwicklungen in stehenden Gewässern (engl. „pond scum“) verantwortlich sind. Das wissenschaftliche Interesse an dieser Algengruppe ist derzeit sehr groß, denn die Forschung der letzten Jahre hat ergeben, dass diese Algen die nächsten Verwandten der Landpflanzen sind. Die Wissenschaftler waren von dieser Erkenntnis überrascht, da die Baupläne der Zygnematophyten weniger komplex sind als die jener Algen, die früher fälschlicherweise für die nächsten Verwandten der Landpflanzen gehalten wurden. Die Tatsache, dass sich die Zygnematophyten vor etwa 550 Millionen Jahren von ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Pflanzen trennten und seither einen eigenen evolutionären Weg einschlugen, könnte der Grund für die deutliche morphologische Trennung sein.

Das Forschungsteam nutzte Hunderte von Genen, um Zehntausende von molekularen Merkmalen zu sammeln, aus denen sich die tiefen evolutionären Beziehungen der Zygnematophyten ableiten lassen. „Die Taxonomie dieser Algen war jahrzehntelang ein ungelöstes Problem, da Analysen mit einzelnen oder wenigen Genen nicht in der Lage waren, alte evolutionäre Aufspaltungen aufzulösen. Jetzt stellen wir ein phylogenetisch fundiertes Fünf-Ordnungs-System der Zygnematophyten vor, das Wissenschaftler*innen helfen wird, sich in der evolutionären Vielfalt dieser Algen zurechtzufinden“, sagt Dr. Sebastian Hess von der Universität zu Köln. Darüber hinaus lieferte der neue Datensatz die Grundlage für statistische Analysen, die es den Forscher*innen ermöglichten, das wahrscheinlichste Muster der Bauplan-Evolution dieser wichtigen Algenklasse zu rekonstruieren. Diese Analysen deuten darauf hin, dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Zygnematophyten eine einzellige Alge war und dass fadenförmiges Wachstum bei diesen Algen mehrmals unabhängig voneinander entstanden ist.

Professor Dr. Jan de Vries von der Universität Göttingen betont: „Die Entwicklung dieser Algen hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf das Leben auf der Erde. Die heutigen Landpflanzen haben ausgefeilte vielzellige Körper, die den größten Teil der Biomasse an Land ausmachen. Die Erforschung der engsten Verwandten aus dem Reich der Algen erlaubt uns Rückschlüsse auf Merkmale wie den Bauplan des letzten gemeinsamen Vorfahren von Landpflanzen und Algen sowie auf die Entwicklungswege, die sie seit ihrer Trennung eingeschlagen haben.“ […]

Vollständige Quelle: Universität zu Köln