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Eiskalt ist zu warm

Warum die Temperatur in der Arktis so schnell ansteigt

Der Klimawandel und die Verantwortung von uns Menschen beherrschen die öffentlichen Debatten – vorangetrieben vor allem durch die »Fridays for Future« Bewegung. Dass das Ausmaß der globalen Erwärmung bedrohlich ist, lässt sich mit Fakten belegen. Ein absoluter Profi auf diesem Gebiet ist Professorin Dr. Susanne Crewell, die seit vielen Jahren in der Arktis forscht.

Das Engagement reißt nicht ab. Auch nach Monaten der Proteste gehen Schülerinnen und Schüler freitags weiter auf die Straße, um für die Zukunft unseres Planeten und einen besseren Klimaschutz zu demonstrieren. {…} Dass es höchste Zeit ist, über den Klimawandel zu sprechen, davon ist auch Professorin Dr. Susanne Crewell überzeugt. Die Meteorologin forscht mit dem Transregio 172 »Arktische Verstärkung« in der nördlichen Polarregion – dem Gebiet der Erde, das vom Klimawandel am stärksten betroffen ist. Während im vergangenen Jahrhundert global die Temperatur durchschnittlich etwa ein Grad Celsius stieg, erhöhte sie sich in der Arktis um zwei bis drei Grad. »Dieses Phänomen der sogenannten „arktischen Verstärkung“ versuchen wir besser zu verstehen. Denn obwohl die Arktis eine zentrale Region in Bezug auf den Klimawandel ist, ist sie noch nicht besonders gut erforscht«, sagt Crewell. Eine Erwärmung der Arktis führt zu einer geringen Ausdehnung des Meereises und einer veränderten ozeanischen und atmosphärischen Zirkulation. Das wiederum fördert eine weitere Erwärmung und treibt neben der arktischen Verstärkung auch den globalen Klimawandel weiter voran. Die Arktis und die dortige Klimaforschung sind also am Ende des Tages auch für unsere Breitengrade relevant.

Im September steht für die deutsche und internationale Klimaforschung ein ganz besonderes Highlight an {…}. Bei der Forschungsexpedition MOSAiC des deutschen Forschungsschiffs »Polarstern« lassen sich Forscherinnen und Forscher 17 Monate lang im arktischen Eis einfrieren und vom natürlichen Drift über die Polkappe treiben. MOSAiC ist die größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten. Es nehmen insgesamt 600 Menschen aus 17 Ländern daran teil, von denen jede Person sechs bis zwölf Wochen auf dem Schiff verbringt. Wenn das Forschungsteam im September 2019 ins arktische Eis aufbricht, wird Crewell selbst zwar nicht an Bord sein, dafür aber ein für ihren Transregio speziell entwickeltes Gerät: MiRaC (Microwave Radar/Radiometer for Arctic Clouds) bestimmt den Flüssigkeitsgehalt von Wolken und vermisst sie mithilfe von Radarstrahlen. Eine weitere Komponente, das Mikrowellenradiometer, liefert Informationen über die Feuchtigkeit der Atmosphäre und den Gehalt an Eiswasser. Damit kann das Team des Transregio ein differenziertes Bild der Wolken und der Atmosphäre in der Arktis zeichnen.

Arktische Wolken können kühlend oder erwärmend wirken. Die Forscherinnen und Forscher um Crewell versuchen daher im Nordpolarmeer zu ermitteln, welche Rolle die Wolken bei der arktischen Verstärkung spielen. Vor allem die Randgebiete der arktischen Eisfläche haben einen sehr starken Einfluss auf die Wolken und dadurch auf den Energiehaushalt der Arktis. Aber die Erforschung ist kompliziert: Nach aktuellen Erkenntnissen können sich Wolken, die über die Meereiskante strömen, in nur wenigen Stunden deutlich ändern. Die Bedingungen sind zudem durch das reflektierende Eis und die niedrig stehende Sonne im Gegensatz zu Wolken in Mitteleuropa komplexer.

Ob eine Wolke erwärmend oder kühlend wirkt, hängt außerdem davon ab, ob sie aus Eiskristallen oder Wassertröpfchen besteht und wie groß die Teilchen sind. {…} Da das Gerät mobil ist, kann MiRac auch aus dem Flugzeug, von einem Schiff oder vom Boden aus die Wolken vermessen. Außerdem operiert das Gerät mittlerweile weitestgehend autonom. »Die MiRaC-Daten, die wir bisher gewinnen konnten, deuten darauf hin, dass sich die Eigenschaften der Wolken beim Übergang vom Meereis auf den Ozean deutlich verändern«, fügt die Klimaforscherin hinzu.

Bisher können die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Grunde nur auf polarumlaufende Satelliten zurückgreifen, die keine durchgängige zeitliche Überwachung zulassen und gerade in den Polargebieten ungenau sind. {…} Das MiRAC-Gerät misst {…} in einer hohen Frequenz in Intervallen von einer Sekunde. Wenn sich die »Polarstern« ein ganzes Jahr rund 2.500 Kilometer durch das Packeis treiben lässt und dabei im Durchschnitt rund sieben Kilometer am Tag zurücklegt, kommt eine enorme Datenmenge zusammen. »MOSAiC wird für uns besonders spannend. Von Februar bis Juni kommt eigentlich kein Eisbrecher durchs Nordpolarmeer, weil das Eis zu dick ist. Dadurch, dass die _Polarstern_ aber eingefroren ist und sich treiben lässt, bekommen wir erstmals umfassende Daten auch aus den Wintermonaten und durch Bodenmessungen«, sagt Crewell. Mit den so gewonnenen Daten können aktuelle Klimamodelle angepasst und genauere Prognosen für Klimaveränderungen erstellt werden. {…}

Vollständige Quelle: Uni Köln