Der Muskel im Kopf
Das Gehirn reagiert ähnlich auf Bewegung wie die Muskulatur
Plötzlich liegt eine enorme Kraft in der Stimme von Sandra Rojas, „ich bin mir sicher, die Wirkung von Sport ist gewaltig im Gehirn“, sagt die Forscherin vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft. Dann macht sie eine kurze Pause und wiederholt: „gewaltig!“ Die gebürtige Kolumbianerin ist fasziniert von diesem Organ, das wahrscheinlich mehr Geheimnisse birgt als alle anderen Bereiche des menschlichen Körpers. Geheimnisse, von denen sie gerne einige lüften würde. Rojas hat sich auf ein Feld begeben, das von der Wissenschaft bisher kaum beachtet wurde: die Veränderungen, die körperliche Aktivitäten im Gehirn verursachen. Was die Funktionsweise betrifft, vor allem jedoch hinsichtlich der Struktur dieses erstaunlichen Organs.
Und dabei steht immer wieder ein für Laien unerwarteter Befund im Mittelpunkt: „Das Gehirn ist eine sehr plastische Struktur, und die Veränderungen die in diesem Organ durch Sport entstehen, ähneln auf verblüffende Art und Weise den Veränderungen, die Bewegung im Muskel hervorruft“, sagt Rojas. Innerhalb kürzester Zeit kann körperliche Aktivität bestimmte Areale im Hirn wachsen, aber auch schrumpfen lassen, wie einen unterschiedlich stark beanspruchten Bizeps. Sogar die Stoffwechselprozesse sind vergleichbar. So verkleinert sich durch Bewegung zum Beispiel die bei depressiven Menschen oftmals vergrößerte Amygdala, der Mandelkern. Deshalb führt regelmäßiges Sportreiben dazu, „dass viele betroffene Menschen nicht mehr so stark unter Ängsten leiden“, lautet eine von Rojas‘ Erkenntnissen. Auf der anderen Seite wächst der für viele Gehirnfunktionen bedeutsame Hippocampus durch intensive Bewegung, und das verbessert die geistige Leistungsfähigkeit. {…}