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Demokratie im Präsens

Bucherscheinung und Podcast

Ungerecht, ausgrenzend, im Kern eine Fehlkonstruktion: Das Urteil der politischen Philosophin Isabell Lorey über unsere repräsentative Demokratie fällt harsch aus. Neue Impulse erhofft sie sich von internationalen Protestbewegungen.

Die Geschichte moderner Demokratien ist eine Geschichte von Kämpfen um Anerkennung und Mitsprache. Dass Frauen in der Politik heute deutlich stärker repräsentiert sind und spezifische Rechte und Interessen wirkungsvoller durchsetzen können als noch vor ein oder zwei Generationen, ist vor allem dem hartnäckigen Engagement einer zivilgesellschaftlichen Bewegung zu verdanken.

Viele weitere Stimmen prägen die Gesellschaft inzwischen selbstbewusster und vernehmlicher mit als noch vor wenigen Jahren: von Menschen mit Migrationsgeschichte über Angehörige der LGBT*IQ-Communities bis zu Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für die Belange von behinderten Menschen einsetzen. Die Öffentlichkeit ist diverser geworden.

Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Doch solche Fortschritte auf einzelnen Feldern lenken von einem grundsätzlichen Problem ab, meint die politische Philosophin Isabell Lorey, die als Professorin für Queer Studies an der Kunsthochschule für Medien in Köln lehrt. Hinter dem Anspruch der Gleichberechtigung blieben die realen Verhältnisse in unserer Gesellschaft weit zurück, sagt Lorey:

„Wir sind nicht in der Lage, ein gutes Leben für alle Menschen hinzukriegen, die wir als sogenannte ‚Behinderte‘ bezeichnen. Wir sind nicht in der Lage, Frauen gleichzustellen, noch nicht einmal in der Bezahlung. Wir sind nicht in der Lage, Deutschland konsequent als Einwanderungsgesellschaft zu begreifen, wo Migration keine Ausnahme ist, sondern das völlig Normale.“

In Loreys Augen ist diese Bilanz jedoch nicht einfach ein Ansporn dafür, mehr zu kämpfen, damit die Anliegen der Betreffenden auf der politischen Agenda mehr Gewicht erhielten – wobei sie betont: „Ich diskreditiere in keiner Weise die Kämpfe um Anerkennung. Ich diskreditiere den Zynismus, der dahinter steckt, zu sagen: Ihr müsst um eure Rechte kämpfen, denn von alleine habt ihr die nie.“

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