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Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump

Verfahren ist eher ein politischer denn ein juristischer Akt

Am Dienstag, den 24. September, gab die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi bekannt, dass sie ein offizielles Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald J. Trump einleitet. Die Demokraten argumentieren, Trump habe in seinem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seinen Amtseid gebrochen als er ihn bat, zugunsten seiner Wiederwahl 2020 in den Wahlkampf einzugreifen. Nun stellt sich heraus, dass Trump womöglich auch andere Staatschefs um Hilfe gebeten hat, um seine persönliche Machtposition zu stärken. Was wird als nächstes geschehen?

Der Prozess der Amtsenthebung besteht aus zwei Teilen. Artikel I der US-Verfassung verleiht dem Repräsentantenhaus „the sole Power of Impeachment“ – das alleinige Recht, ein Impeachment-Verfahren einzuleiten. Da die Verfassung dieses Recht nicht weiter ausführt und es keine weiteren Gesetze dazu gibt, steht es dem Repräsentantenhaus praktisch frei zu entscheiden, wie es diese Befugnis ausübt.

Obwohl in dem Prozess wichtige rechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind, handelt es sich in erster Linie um einen politischen, nicht um einen juristischen Akt. Ein vergleichender Blick zum Strafverfahren kann jedoch helfen den Prozess besser zu verstehen. Das Rechtssystem der USA ist von der Common Law-Tradition geprägt. Daher sind Präzedenzfälle rechtlich verbindlich. Die Abgeordneten werden sich also auch auf politische Vorkommnisse in der Vergangenheit berufen. In den beiden einzigen anderen Fällen dieser Art – die Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Andrew Johnson 1868 und gegen Präsident William Clinton 1999 – beauftragte das Repräsentantenhaus zunächst seinen Rechtsausschuss, das House Judiciary Committee, mit offiziellen Untersuchungen.

Ob und wann solche Untersuchungen eingeleitet werden, ist dabei immer eine politische Frage. Im Strafprozessrecht wäre dies mit dem Moment vergleichbar, in dem die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob sie Ermittlungen einleitet oder nicht. Dabei kann sich die Staatsanwaltschaft in der Regel auf Verwaltungsvorschriften, Handbücher oder frühere erfolgreiche Ermittlungen beziehen. Bei einem Amtsenthebungsverfahren sieht das allerdings anders aus.

In den Fällen von Johnson und Clinton haben die damaligen Sprecher des Repräsentantenhauses zunächst den Rechtsausschuss aufgefordert, eine offizielle Untersuchung zu eröffnen. Nancy Pelosi ist diesem Beispiel nun gefolgt. Außerdem untersuchen bereits sechs andere Ausschüsse weitere mutmaßliche Vergehen des Präsidenten. Sie sind nun angehalten, sich an der Untersuchung des Rechtsausschusses zu beteiligen.

US-amerikanische Medien haben dies als politisches Glückspiel von Pelosi bezeichnet, denn der Akt der offiziellen Anrufung des House Judiciary Committee, Untersuchungen zur Amtsenthebung einzuleiten, ist in der politischen Kultur der USA fast gleichbedeutend mit einem Versprechen, dem Senat „Articles of Impeachment“, vergleichbar mit strafrechtlichen Anklagepunkten, zu liefern. Sollte der Rechtsausschuss feststellen, dass kein nachweisbares Fehlverhalten vorliegt, welches eine Anklage rechtfertigt – was rechtlich durchaus möglich ist – stünde politisch infrage, warum Pelosi den Prozess überhaupt eingeleitet hat.

Vergleichend zum Strafprozess wäre das jedoch so, als müsste die Staatsanwaltschaft jede Person, gegen die sie jemals ermittelt hat, auch vor Gericht stellen. Im Umkehrschluss würde dann der Sinn jeder strafrechtlichen Untersuchung, die nicht zu einem Prozess geführt hat, infrage stehen. Es sollte aber ein juristischer Prozess mit offenem Ausgang sein. Vertreter der Regierung werden sicherlich wieder Begriffe wie „Hexenjagd“ benutzen, um die Einleitung der Untersuchung anzugreifen. Doch eigentlich gleicht die Erwartung, dass eine Untersuchung zwangsläufig zu einem Prozess (und sogar zu einer Verurteilung) führen muss, viel eher einer „Hexenjagd“.

Sollte der Rechtsausschuss empfehlen, dass das Repräsentantenhaus „Articles of Impeachment“ erhebt, kann sich letzteres immer noch dagegen entscheiden – denn es ist schließlich eine politische Entscheidung. Da das Repräsentantenhaus aber über eine demokratische Mehrheit verfügt, ist es sehr wahrscheinlich, dass bei hinreichender Grundlage auch Anklage erhoben wird. Das Repräsentantenhaus würde dann abstimmen und bei einer Mehrheitsentscheidung den zweiten Teil des Prozesses einleiten. Dann wäre der Präsident „impeached“ – aber noch nicht seines Amtes enthoben. Das Repräsentantenhaus leitet dann die Anklageschrift an den Senat weiter. So war es auch in den Fällen von Johnson und Clinton. Der Senat würde dann das eigentliche Verfahren durchführen – vergleichbar mit einem Strafprozess.

Da Senatoren keine juristische Ausbildung haben müssen, kritisieren einige Beobachter, dass in einem solchen Prozess „Politiker im Gerichtssaal den Anwalt spielen“. Es wird jedoch mindestens ein Jurist involviert sein, denn der Oberste Richter des US Supreme Court leitet das Verfahren. Die Befugnis in diesem Verfahren zu entscheiden, liegt allerdings bei den Senatorinnen und Senatoren.

Ein wichtiger rechtlicher Aspekt im Prozess ist die Frage der Beweislast. Bei der Anklage gegen Andrew Johnson, bei den Voruntersuchungen zum Verfahren gegen Richard Nixon 1974 und erneut bei der Anklage gegen William Clinton wurde darüber heiß diskutiert. Auch hier hilft wieder ein vergleichender Blick zum Strafverfahren. Die angeklagten Präsidenten wollen natürlich einen hohen strafrechtlichen Standard und verlangen, dass die Beweise für die Anklage zweifelsfrei nachgewiesen werden müssen. Die Staatsanwaltschaft will den niedrigeren verwaltungsrechtlichen Standard klarer und überzeugender Beweise.

Die Verfassung sieht vor, dass das Impeachment – die Anklage des Präsidenten auf der Grundlage der erbrachten Beweise – durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgt. Die Republikanische Partei hält die Mehrheit der Sitze im Senat. Daher glaubten die meisten Beobachter bislang, dass der Senat für den Präsidenten stimmen würde. Damit stünden die Chancen einer Amtsenthebung Präsident Trumps schlecht.

Diese politische Prognose wurde als so wahrscheinlich angesehen, dass sich das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus seit 2017 scheute, ein offizielles Verfahren einzuleiten. Der juristische Prozess hat sich seither zwar nicht geändert, allerdings scheint nun jedoch genügend politischer Wille vorhanden zu sein.

Ein Präsident, der angeklagt und seines Amtes enthoben wird, kann danach auch strafrechtlich verfolgt werden. Wenn ein Präsident vor Ablauf seiner Amtszeit ausscheidet, tritt gemäß Artikel II der Verfassung der Vizepräsident in das Amt des Präsidenten. Als Präsident Richard Nixon zurücktrat, wurde Vizepräsident Gerald Ford vereidigt. Der neue Präsident erfüllt dann nur noch die verbleibende Amtszeit des ausgeschiedenen Präsidenten, darf aber danach für eine eigene Amtszeit zur Wahl antreten. Rechtlich möglich ist aber auch, dass der Präsident vom Repräsentantenhaus angeklagt, vom Senat aber nicht aus dem Amt entfernt wird, und dann für eine zweite Amtszeit zur Wahl antritt.

Vollständige Quelle: Uni Köln